Die Botschafterin

Hester Somsen

Niederländische Botschafterin in Berlin
Hester Somsen ist seit Oktober 2024 Botschafterin des Königreichs der Niederlande in Deutschland.

Den Lebenslauf der Botschafterin Somsen finden Sie hier.
Im Laufe ihrer Karriere im Außenministerium hat Hester Somsen viel von der Welt gesehen. So war sie etwa in Beirut und Budapest. Jetzt ist sie Botschafterin ihres Landes in Berlin und setzt sich für die Stärkung der Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden ein.
»Die deutsche Gründlichkeit und der niederländische Handelsgeist ergänzen sich perfekt.«

Was fiel Ihnen auf, als Sie Botschafterin in Deutschland wurden?

Bild: Niederländische Botschafterin Hester Somsen

»Nachdem bekannt geworden war, dass ich als Botschafterin nach Berlin gehe, haben mich viele gefragt, ob ich es schön finde, in ein Land zu wechseln, das den Niederlanden so ähnlich ist. Mir fällt auf, dass Deutschland und die Niederlande einander vielleicht aus der Distanz ähneln, wenn man aber erst mal in dem anderen Land lebt, stellt man fest, dass es doch große Unterschiede gibt. 

Die Niederlande sind eine echte Handelsnation, und das merkt man auch an der Mentalität. Wir Niederländer sind geneigt, einfach loszulegen, wenn wir wissen, wo wir hinwollen. Mit den Details befassen wir uns später. In Deutschland, dem Land der Ingenieure, geht man die Sache ganz anders an. Bevor man etwas in Angriff nimmt, steckt man den gesamten Prozess ab und kümmert sich auch schon um Einzelheiten. Zum Glück steht das der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern nicht im Weg: die deutsche Gründlichkeit und der niederländische Handelsgeist ergänzen sich perfekt. Im Großen und Ganzen teilen Niederländer und Deutsche dieselben Werte und haben auch einen ähnlichen Blick auf die Welt. Das ist eine gute Grundlage für eine enge Kooperation. Das Erste Deutsch-Niederländische Corps, das aus deutschen und niederländischen Truppen besteht, ist schon seit 30 Jahren ein gelungenes Beispiel hierfür und auch ein Beleg für gegenseitiges Vertrauen. 

Dass wir aufeinander angewiesen sind, zeigt sich auch daran, dass Deutschland für die Niederlande der wichtigste Handelspartner ist. Und umgekehrt sind die Niederlande im weltweiten Vergleich nach den USA und China der drittwichtigste Handelspartner Deutschlands – innerhalb Europas sogar der wichtigste, also noch vor Frankreich, Spanien und Polen. Viele Deutsche wissen das gar nicht. Unsere Industrien sind eng miteinander verflochten. Niederländische Unternehmen sind für deutsche Firmen wichtige Zulieferer, zum Beispiel in der Automobilindustrie. Und der Rotterdamer Hafen ist eine Lebensader für die deutsche Wirtschaft.«

Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Botschafterin in Deutschland?

Botschafter Somsen mit Ministerpräsident Schoof bei den Regierungsberatungen mit Nordrhein-Westfalen

»Meine wichtigste Aufgabe besteht darin, die Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden weiter auszubauen. Man braucht eigentlich für jede Region einen eigenen Ansatz. Viele Menschen aus Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen kennen die Niederlande aus persönlicher Anschauung: sie verbringen ihre Ferien dort, haben als Kind einen Schulausflug dorthin gemacht oder haben dort studiert. Sie haben also bereits eine gewisse Beziehung zu den Niederlanden aufgebaut und sind schon deshalb an einer Zusammenarbeit interessiert.

Bei den Bundesländern, die weiter von den Niederlanden entfernt liegen, müssen wir uns mehr anstrengen. Dort richtet man sich eher an näher gelegenen Ländern aus, z. B. Dänemark, Polen, Österreich oder der Schweiz. In Sachsen spielt die Halbleiterindustrie eine wichtige Rolle. Das ist für die Niederlande, zum Beispiel für ASML, sehr interessant. Als Botschafterin schaue ich dann, wo Chancen für uns liegen und wie wir Unternehmen miteinander in Kontakt bringen können. Zum Glück gibt es in der Botschaft in Berlin, den zwei Generalskonsulaten in Düsseldorf und München und den drei Netherlands Business Support Offices immer jemanden, der mich vor Ort dabei unterstützt. 

Und dann sind da noch unsere Honorarkonsuln – in Deutschland lebende und dort gut vernetzte Persönlichkeiten, die dabei helfen, Türen für Niederländer zu öffnen, die in Deutschland aktiv werden wollen. Gerade auch in den Bundesländern, die weiter von den Niederlanden entfernt liegen. Deshalb gibt es jetzt auch in Leipzig eine Honorarkonsulin. Honorarkonsuln fungieren aber auch als Anlaufstelle für Deutsche, die mehr über die Niederlande erfahren möchten.« 

Welches sind die wichtigsten Gebiete, auf denen die Niederlande und Deutschland zusammenarbeiten?

Bild: Hester Somsen im Gespräch mit einem Vertreter der niederländischen Marine in Hamburg

»Was am wichtigsten oder weniger wichtig ist, kann ich eigentlich nicht sagen. Wir arbeiten mit Deutschland in vielen Bereichen eng zusammen, die die Menschen in ihrem Alltag betreffen, von Politik und Wirtschaft über Sicherheit bis hin zu Wissenschaft und Kultur. Egal, um welches Thema es geht, irgendeine Kooperation besteht immer zwischen unseren Ländern. Und wir suchen ständig nach neuen Möglichkeiten. 

Viele der Ziele, die Deutschland anstrebt, sind auch uns wichtig, zum Beispiel wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit geht. 2024 ist der Draghi-Bericht erschienen. Eine wichtige Botschaft lautet, dass die EU mehr in ihre Wirtschaft investieren muss, wenn sie im Wettbewerb mit den USA und China bestehen will. Diese Botschaft ist auch in Deutschland angekommen, und man tut viel, um dieses Ziel zu erreichen. 
Deutschland steckt zum Beispiel viele Milliarden in seine Infrastruktur. Das eröffnet niederländischen Unternehmen Chancen, ist aber auch für die Verteidigung des NATO-Gebiets wichtig. Da sieht man, wie ein Thema wie die Instandhaltung des Straßennetzes uns in verschiedener Hinsicht direkt betrifft.

Auch beim Thema Ukraine arbeiten wir eng zusammen. Deutschland leistet nach den USA die meiste militärische Unterstützung für die Ukraine, und auch die Niederlande zählen zu den fünf größten Unterstützerländern. Gemeinsam mit Deutschland liefern wir unter anderem Leopard-Panzer, Panzerhaubitzen und Patriot-Flugabwehrsysteme. Außerdem bilden deutsche und niederländische Soldaten ihre ukrainischen Kameraden aus und bereiten sie so auf ihren Kampf für die Freiheit vor.«

Sie sind 1997 in den Dienst des Außenministeriums getreten. Was waren die Gründe dafür, und warum wollten Sie gern Botschafterin in Deutschland werden?

Bild: Hester Somsen beim Christopher Street Day im Juli 2025

»Ich bin in Vaassen aufgewachsen, einem kleinen Ort in der Nähe von Apeldoorn. Meinen Eltern verdanke ich die Erkenntnis, dass die Welt größer ist als dieses Fleckchen Erde. Ich habe in einem Weltladen gejobbt und mich an Briefaktionen von Amnesty International beteiligt. Während meines Studiums in Amsterdam habe ich ein Praktikum im Außenministerium gemacht. Was mir damals unter anderem auffiel, war, wie kreativ die niederländischen Diplomaten bei ihrer Arbeit vorgingen. Statt sich nur dafür zu interessieren, was für die Niederlande gut war, arbeiteten sie an Lösungen, die für alle gut waren. Da wurde mir klar, dass ich gerne für dieses Ministerium arbeiten würde.

Ich freue mich sehr, dass ich mich jetzt in Deutschland für die Niederlande, Europa und die Welt einsetzen darf. Natürlich, weil Deutschland für uns ein wichtiger Partner ist, aber auch, weil ich schon in jungen Jahren meine Liebe zur deutschen Sprache entdeckt habe. In meiner Jugend haben wir nicht nur holländisches Fernsehen empfangen, sondern auch deutsches. Zusammen mit meiner Oma haben wir damals stundenlang tschechische Märchenfilme auf Deutsch geguckt. Später dann Miami Vice in der deutschen Synchronfassung und die Popmusiksendung Formel Eins, in der die neuesten Videoclips gezeigt wurden. Das alles ist meinen Deutschkenntnissen natürlich sehr zugutegekommen.«